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Der Mythos vom perfekten ersten CRM

Wer ein CRM-System einführt, hat oft ein klares Bild vor Augen:
saubere Daten, lückenlose Prozesse und ein Vertriebs-Cockpit, das auf Knopfdruck Sicherheit und Planbarkeit liefert.

Das Ziel ist fast immer die perfekte Standardisierung.

Das Problem ist nur:
Was bei CRMs gerne vergessen wird, ist eine einfache Wahrheit:
Standardisierung ist das Ziel, nicht der Start.

Gerade wer noch am Anfang steht – wie viele Tech-Pioniere oder junge Unternehmen – tappt hier schnell in eine Falle. Der Anspruch, dass das erste CRM-System direkt perfekt sein muss, führt meiner Erfahrung nach meist zu Enttäuschung. Oder schlimmer noch: zur totalen Lähmung.

 

Warum wir Standardisierung lieben (und wann sie uns lähmt)

Versteht mich nicht falsch: Standardisierung ist wertvoll. Sie gibt Sicherheit. Sie sorgt dafür, dass alle im Team dieselbe Sprache sprechen, dass Prozesse skalierbar werden und dass Reportings verlässlich sind. All das wollen wir.

Aber: Wenn diese Standardisierung zu früh erzwungen wird, bevor ein Unternehmen überhaupt weiß, was seine Standards sind, wirkt sie wie ein Korsett, das jede Bewegung erstickt.

Man versucht, Prozesse in Stein zu meißeln, die sich noch jeden Tag ändern. Man definiert Datenfelder für ein Produkt, das selbst noch iteriert wird. Man baut eine Struktur für einen Vertriebsprozess, der in der Praxis noch gar nicht validiert ist.

Das Ergebnis? Das "perfekte" System passt nicht zur Realität. Es wird als Belastung empfunden, die Dateneingabe wird lückenhaft, und am Ende arbeitet das Team daran vorbei.

 

Die Realität im Start-up: Alles ist in Bewegung

Gerade für Pioniere und schnell wachsende Teams ist die Ausgangslage eine völlig andere. Hier ist viel zu viel in Bewegung, als dass ein starres System funktionieren könnte:

  • Bei den eigenen Prozessen: Der Sales-Cycle von heute ist vielleicht nicht der von morgen. Wie man qualifiziert, wie man Demos durchführt, wie der Onboarding-Prozess aussieht – all das wird oft noch "on the fly" gelernt und optimiert.

  • Bei den Leads & Kunden: Das "Ideal Customer Profile" (ICP) ist oft noch eine Hypothese. Man lernt erst im Gespräch mit den ersten 100 Leads, wer wirklich der beste Kunde ist und welche Probleme er hat.

  • Beim eigenen Produkt: Das Produkt selbst entwickelt sich rasant weiter. Features kommen hinzu, der Value Proposition wird geschärft, das Pricing-Modell vielleicht angepasst.

Wer in dieser Phase versucht, ein CRM "fertig" zu bauen, wird scheitern.

 

Der bessere Ansatz: Erst lernen, dann strukturieren

Der Schlüssel liegt in einem Paradigmenwechsel. Betrachtet euer erstes CRM nicht als fertiges Gebäude, sondern als ein flexibles Zelt, das ihr schrittweise zu einem Haus ausbaut.

Die Devise lautet: Erst lernen, was funktioniert. Und dann weiter iterieren.

Was heißt das praktisch?

  1. Minimalistisch starten: Fangt mit dem absoluten Minimum an. Was müsst ihr wirklich wissen? (z.B. Name, Unternehmen, Deal-Phase, nächster Schritt). Widersteht der Versuchung, 50 benutzerdefinierte Felder anzulegen.

  2. Flexibilität priorisieren: Wählt ein System, das sich leicht anpassen lässt, ohne dass ihr einen teuren Dienstleister benötigt.

  3. Aktiv zuhören: Nutzt die erste Phase nicht, um Prozesse durchzusetzen, sondern um zu lernen. Welche Fragen stellen Leads immer wieder? An welcher Stelle im Prozess verliert ihr Deals? Wo verbringt der Vertrieb die meiste Zeit?

  4. Iterativ standardisieren: Wenn ihr feststellt, dass sich ein bestimmter Ablauf bewährt (z.B. ein Follow-up-Prozess nach einer Demo), dann ist der Moment gekommen, diesen zu standardisieren und im CRM abzubilden. Nicht vorher.

 

Fazit: Schritt für Schritt zur Perfektion

Ein CRM ist kein statisches Projekt, das man einmal aufsetzt und dann abhakt. Es ist ein lebendiges System, das mit eurem Unternehmen, eurem Team und eurem Marktverständnis mitwachsen muss.

Der Druck, von Tag eins an alles perfekt zu machen, ist der größte Feind des Fortschritts.
Akzeptiert, dass euer erstes CRM unperfekt sein wird. Seht es als Lernwerkzeug, nicht als Kontrollinstrument.

Beginnt mit dem Lernen.
Die Struktur folgt dann fast von allein.

Schritt für Schritt.